Journal von Rolf Unterfenger

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    WAS IST INFORMEL?

    Der Begriff 'Informel', den der französische Kunstkritiker Michel Tapié mit einer Ausstellung unter dem Titel "Signifiants de l'Informel" in Paris im Jahr 1951 einführte, ist noch immer ein Synonym für maximale Freiheit in der Kunst.
    Bis heute ist das Informel ein Sammelbecken höchst unterschiedlichen Kunstwollens einzelner Künstlerpersönlichkeiten.

    Die Kunst des Informel bzw. der "informelle Kunst" spielte dann in den 50er und 60er Jahren dieses Jahrhunderts eine bedeutende Rolle in der europäischen und amerikanischen Kunstszene. "Informel" bedeutet zunächst einmal nur "formlos" oder "weg von der Form". Im alltäglichen Sprachgebrauch kennen wir "informelle Gespräche", die zwanglos sein können und nicht an eine Tagesordnung (Regeln) o.ä. gebunden sind.

    In den 50ern existierten neben dem Begriff 'Informel' verschiedene andere Begriffe, die in aller Regel das Gleiche meinten: Tachismus, Abstrakter Expressionismus, Lyrische Abstraktion, Experimentelle Malerei.


    Im Informel ist der Gegenstand, das Motiv nicht mehr von Bedeutung, das rein abstrakte oder ungegenständliche Bild gilt es herzustellen. Diese Tendenz gab es schon in den Werken bei Wassily Kandinsky, einem Vater der Abstraktion oder bei Piet Mondrian, der geometrisch-ungegenständliche Bilder ab Beginn der 20er Jahre schuf. Diese Entwicklung wurde durch den Faschismus jäh unterbrochen.

    Die nordamerikanischen Künstler hatten durch den Einfluß vieler emigrierter Künstler aus Europa - Hans Hofmann, Josef Albers, Max Ernst oder Piet Mondrian - schon zu Beginn der 40er Jahre die Möglichkeit, sich ganz den abstrakten oder ungegenständlichen Tendenzen zu widmen, wie etwa Mark Rothko. Auch entwickelte der amerikanische Künstler Jackson Pollock sein berühmtes "Action Painting", eine rein von den Aktionen des Körpers bestimmte Malerei, bei der er Farbe über eine auf dem Boden ausgebreitete, riesige Leinwand tröpfeln ließ oder mit Pinseln die Farbe herumschleuderte. Dieser "Abstrakte Expressionismus" der amerikanischen Malerei unterschied sich von der europäischen informellen Kunst durch die Körperbetontheit des Malens, des Malerlebnisses, welches stark hervorgehoben wurde.

    Das europäische Informel wurde zunächst in Frankreich durch Künstler wie Jean Fautrier oder den Deutschen WOLS und Hans Hartung entwickelt. Ab 1952 entstanden gerade auch in Deutschland verstärkt Werke informeller Malerei, deren wohl bedeutendste Vertreter dieser Zeit Ernst Wilhelm Nay, Fred Thieler und Emil Schumacher waren.


    Indem die informelle Malerei den Mal-Akt an sich und nicht sein Ergebnis ins Zentrum des künstlerischen Ausdrucks rückt, ist sie eher eine Einstellung, Motivation, denn ein eigentlicher Stil. Der einzelne Künstler, ja ein einzelnes Werk, können dabei zu einer eigenen, auch einmaligen Formen-Sprache gelangen. Fred Thieler drückte wohl den Inhalt der informellen Malerei am besten aus: "Malen bedeutet für mich ein Erzeugnis zur Entstehung zu bringen, das, aus dem Malprozess entlassen, für den Betrachter wie den Maler selbst sich als Reflexion menschlichen Daseinserlebnisses darstellt."

    Eine Assoziation von informeller Kunst zur Philosophie des Existentialismus ist hier durchaus berechtigt; auch gibt es einen unmittelbaren Bezug zur Psychologie, denn in dem angesprochenen Mal-Akt kommt eine sehr starke Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst zum tragen.

    Die informelle Malerei lehnt jede feste Kompositionsregel ab, um durch frei erfundene Zeichen oder durch die spontane Rhythmik von Farbflecken und Linien geistige Impulse unmittelbar auszudrücken. Gewiß ist der Begriff Informel nicht eindeutig, denn was als Nicht-Form bezeichnet wird, umgeht doch nicht generell die Frage nach der Sinnhaftigkeit formaler Aspekte. So geht es hier darum, die Tür offen zu lassen für Möglichkeiten, neue und unbekannte Strukturen zu schaffen. Die informelle Kunst hat im Laufe der Zeit ihre Formen-Sprache verändert, variiert; manche Künstler haben die informelle Bildsprache ungemein differenziert.

    Auch nach 50 Jahren "Informel" kann gesagt werden:
    DAS INFORMEL LEBT!